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“Dear Doris”: Designerin Sophia Lewis öffnet das Familienalbum

Eine Modedesignerin wird zur Bäckerin: Sophia Lewis hat Rezepte ihrer Großmutter neu aufgelegt und dabei weitestgehend auf Zucker, Mehl und tierische Produkte verzichtet. Kann das schmecken? Wir haben sie gefragt.

Ein Schokoladen-Birnen-Kuchen aus "Dear Doris"
Das kommt dabei heraus, wenn eine Modedesignerin sich in der Backstube austobt: ein veganer Schokoladen-Birnenkuchen, zu finden im Backbuch "Dear Doris". © Edel Verlagsgruppe/ Maria_Grossmann

Man muss zugeben: Die Kreationen im Backbuch “Dear Doris” sehen schon sehr ästhetisch aus. Ein Zufall? Mitnichten, immerhin handelt es sich bei der Autorin um die Designerin des Modelabels Closed, Sophia Lewis. Die Corona-Pandemie mit ihren zahlreichen Lockdowns trieb sie in die heimische Backstube, herausgekommen ist sie wieder mit einer bunten Rezeptsammlung, in der sie sich auf die alten Rezepte ihrer Großmutter Doris besinnt und sie neu interpretiert hat – überwiegend glutenfrei, ohne Zucker und vegan. Wie schmeckt das und was sagt der Rest der Familie zum modernen Twist? Wir haben mit der Autorin gesprochen und ihr ein Rezept entlockt.

EAT CLUB: Sie kommen aus der Modebranche, da denkt man nicht sofort an Kuchen und Süßkram. Ist das nicht ein Gegensatz?

Sophia Lewis: Ich bin auf dem Land groß geworden, da hat meine Oma immer gebacken, ich habe Kuchen geliebt. Aber mit meinem Karrierewunsch wurde meine Kuchenliebe quasi abgeschafft. (lacht) In der Mode geht es darum, wie du aussiehst. Meine Tochter jedoch liebt backen, seit sie zwei oder drei ist. Dann kam der erste Lockdown und wir haben uns ein Spiel überlegt: Schaffen wir es, die Rezepte meiner Oma vegan nachzubacken? Denn meine Tochter und ich essen überwiegend vegan.

Und wie ist daraus Ihr Buch “Dear Doris” entstanden?

Ich nahm die Kuchen häufig mit ins Büro, weil wir so viele davon gebacken haben, und die Kolleg*innen fragten oft nach den Rezepten. Als der zweite Lockdown kam, dachte ich: Jetzt brauchst du noch eine Aufgabe. Für unsere Shops verlegen wir eine kleine Zeitung, also habe ich meinen Chef gefragt, ob ich dafür Rezepte schreiben und Geschichten dazu erzählen kann. Nach einem Monat hatte ich bereits 70 Rezepte! Da sagte mein Chef: Lass uns mal gucken, ob wir einen Verleger dafür finden.

Im Lockdown haben ja viele Menschen neue Dinge ausprobiert.

Ja, weil man Zeit hatte, anders und neu zu denken. Für mich war das außerdem die Verbindung zu meiner Familie. Man konnte zwar über Video Calls sprechen, aber dank der Rezepte und Geschichten waren meine Verwandten mir näher. Dass daraus ein Buch wird, hätte ich nicht gedacht.

“Meiner Oma hätten die Kuchen besser geschmeckt, wenn sie sie gebacken hätte.”

Sophia Lewis

Wie würden Sie Ihre Oma, nach der das Buch benannt ist, beschreiben?

Sie war eine sehr charmante Frau, sehr beliebt in der Community, dazu äußerst musikalisch. Weil sie selbst nicht beruflich kreativ sein konnte, gab sie ihre Leidenschaft an mich und meine Tante weiter. Meine Oma war die einzige Tochter unter vier Geschwistern, ihre Aufgabe war es, die Frau im Haus zu sein, zu backen, zu kochen und auf ihre Brüder aufzupassen. Eine Karriere als Musikerin war somit undenkbar. Stattdessen wurde meine Tante eine sehr bekannte Musikerin, und ich habe das mit der Mode gemacht. Meine Großmutter hat uns immer ermutigt, unseren Träumen zu folgen.

Die Rezepte Ihrer Oma waren damals bestimmt noch nicht vegan, gluten- und zuckerfrei. Wie stünde Doris zu Ihren Kuchen?

Ich denke, sie würde sie probieren, wäre aber sehr skeptisch. Wenn meine Tante früher aus London zu Besuch war, in den 1980ern, mit wilder Mähne und wilder Kleidung, fand meine Oma das immer spannend. Gleichzeitig hielt sie meine Tante für ein bisschen verrückt. Ich glaube, das Gleiche würde sie auch zu meinen Kuchen sagen. Sie würden ihr besser schmecken, wie sie sie gemacht hätte. (lacht)

Und was sagt der Rest der Familie?

Meine Mutter war sehr kritisch. Sie hat aber alles probiert. Ein bisschen überzeugt hat sie die Geschichte, die ich im zweiten Chapter von “Dear Doris” erzähle: Weil mein Vater an Arthrose litt, stellte er notgedrungen seine Ernährung um. Nach zwei Wochen ging es ihm deutlich besser – für alle ein großer Aha-Moment. Heute hat er nur wenig Schmerzen und ist wieder total fit. Die zwei Wochen Detox waren zwar hart, haben ihn aber total verändert. Daran erinnere ich meine Mutter gerne.

Wieso haben Sie sich für eine überwiegend vegane Ernährung entschieden?

Die meisten essen wegen gesundheitlicher Gründe vegan. Ich möchte hauptsächlich meinen ökologischen Fußabdruck verkleinern. Leider kann ich es in meinem Job nicht vermeiden, zu fliegen. Ich versuche zwar, mehr Telefonate statt persönlicher Gespräche zu führen, aber Reisen ist eben Teil meiner Arbeit. In dieser Krise möchte ich deshalb das tun, was ich kann. Und vegan zu essen kann ich.

“Mit Dear Doris möchte ich den Menschen beweisen, dass sie Kuchen essen können, der gut für die Umwelt ist.”

Sophia Lewis

Bei Mode denkt man ja zunächst eher an Fast Fashion, weniger an Nachhaltigkeit.

Closed steht für gute Qualität, die Artikel kann man über mehrere Saisons tragen. Wir machen keine Wegwerf-Mode oder Teile, die zu modisch und nur kurz angesagt sind. Als Endkund*in kann man das im Blick behalten und viel für eine nachhaltige Zukunft tun.

Welche Parallelen gibt es zwischen Ihrer Arbeit am Backbuch und Ihrer Arbeit in der Mode?

Ich bin keine so gute Bäckerin wie meine begabte Tochter. Aber ich bin ans Backen genauso herangegangen wie als Designerin. Während der letzten 20 Jahre habe ich gelernt, alte Vintage-Teile wieder modern zu interpretieren. So ähnlich war es auch mit den Rezepten meiner Oma: Ich kombinierte sie mit modernen Zutaten. Es ist nicht immer perfekt, aber das ist der erste Prototyp in der Mode auch nicht. (lacht)

Eine letzte Frage: Was ist ihr Lieblingsrezept aus dem Backbuch?

Chocolate Brownie. Ich mag die Konsistenz mit den Mohnkörnern. Das hat eine schöne Textur und ich bin generell ein Brownie-Fan. Aktuell bin ich aber mehr in Sachen Gemüse unterwegs.

Es kann also sein, dass demnächst ein weiteres Kochbuch erscheint?

Für mich ist es eher Storytelling als ein Kochbuch. Man berührt andere viel mehr, wenn man durch das Erzählen von Geschichten bestimmte Emotionen erzeugt. Mit “Dear Doris” wollte ich Liebe verbreiten. Und den Menschen beweisen, dass sie Kuchen essen können, der gut für die Umwelt ist. (lacht)

Rezept für veganen Schokoladen-Birnenkuchen

Zutaten für 1 Kuchen:

  • 6 EL Kichererbsenwasser (Aquafaba)
  • 150g Dattelzucker
  • 100g Kakaopulver
  • 250g glutenfreies Mehl
  • ¼ TL Vanillepulver
  • ½ TL gemahlener Kardamom
  • 1 TL Backpulver
  • 1 Prise Salz
  • 3 EL Sojajoghurt
  • 135g Olivenöl
  • 2 EL Mandelmilch
  • 2 Birnen
  • 1 Handvoll gehackte Haselnüsse

Zubereitung:

  1. Den Backofen auf 180 Grad vorheizen.
  2. In einem Standmixer das Aquafaba auf hoher Stufe 5 Minuten verquirlen. Die fluffig-leichte Textur ähnelt der von geschlagenem Eiweiß.
  3. Separat alle trockenen Zutaten mischen. Anschließend Joghurt, Olivenöl und Mandelmilch hinzugeben. Dann vorsichtig das Aquafaba unterheben, sodass möglichst viel Luft im Teig bleibt.
  4. Die gewünschte Kuchenform mit Backpapier auslegen und die Seiten mit Olivenöl einölen. Den Teig hineingießen und 2–3 cm hoch gleichmäßig verteilen.
  5. Die Birnen halbieren. Stiele und Kerngehäuse entfernen, in dünne Scheiben schneiden und auf dem Kuchen anordnen. Man kann die Stücke entweder beliebig darauf legen oder so, dass ein flügelähnliches Muster entsteht. Danach die Haselnüsse grob zerkleinern und auf dem Kuchen verteilen.
  6. Im vorgeheizten Backofen 45 Minuten backen. Ein Holzstäbchen in die Mitte des Kuchens stechen. Wenn keine Teigreste daran kleben, ist er fertig. Kleine Anmerkung: Je nach Form braucht der Kuchen unterschiedlich lange zum Backen.

Sophia Lewis: “Dear Doris”, Edel Verlagsgruppe, 29 Euro.

Buchcover "Dear Doris"
Buchcover “Dear Doris” © Edel Verlagsgruppe/ Maria_Grossmann

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