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Heldenbrot: Wie aus alten Brotresten Nudeln werden

Wir lieben unser täglich Brot. Was wir weniger lieben, ist der Fakt, dass davon täglich zu viel weggeschmissen wird. Die Brothelden haben sich etwas zur Vermeidung des Brotsterbens überlegt.

Heldenbrot-Nudeln mit Parmesan in der Draufsicht, eine Frauenhand mit einer Gabel.
Heldenbrot sammelt altes Brot und macht daraus neue Leckereien. © Heldenbrot

Sie nennen sich Brothelden, und sie verkündigen uns eine frohe Brotschaft: Altes Brot vom Bäcker muss nicht mehr in der Tonne landen, sondern wird zu neuen Lebensmitteln verarbeitet. Das ist die Geschichte vom Heldenbrot.

Heldenbrot macht aus unserem täglich Brot Nudeln, Kekse oder Knödel

Die Brotagonisten der Geschichte: Heldenbrot-Gründer*innen Janine Trappe und Felix Pfeffer. Gemeinsam mit ihrem Team retten sie nach eigenen Angaben monatlich etwa 60 Tonnen altes Brot. Sie beziehen Brot- und Brötchenreste von Bäckereien, die diese sonst wegschmeißen würden. So werden jährlich allein in Deutschland mehr als 500.000 Tausend Tonnen Brot entsorgt. Zu viel, fanden die Trappe und Pfeffer – und schmiedeten einen raffinierten Plan. Im Interview erzählt uns Janine Trappe die ganze Geschichte.

EAT CLUB: Wie kommt man auf die Idee, altes Brot neu aufzumöbeln und daraus ganz andere Lebensmittel herzustellen?

Janine Trappe: Das war eine Schnapsidee, die uns beim Stammtisch gekommen ist. Da hat uns der Neffe eines Bäckers erzählt, wie viel Brot diese wegschmeißen. Klar, man hatte davon schon mal gehört, Lebensmittelverschwendung. Aber in dem Moment hat uns das einfach geschockt. Das war die Geburtsstunde von Knödelkult, was wir jetzt schon seit ein paar Jährchen machen. Irgendwann haben wir festgestellt, dass man noch viel mehr aus Brot machen kann. Bei einem Brainstorming hat dann einer der Kollegen gesagt, man könne daraus ja auch Nudeln machen. Unsere erste Reaktion war: „Was ist das denn jetzt für eine dämliche Idee?“. Aber am Ende war’s dann doch nicht so unlogisch: Nudeln bestehen aus Weizen, und Brot überwiegend auch. Wir haben dann bei einer Nudelmanufaktur nachgefragt, ob man Lust hat, das auszuprobieren. Was dabei rauskam, hat uns gefallen.

Es gibt bei euch nicht nur Nudeln und Knödel, sondern noch mehr Produkte. Wie entwickelt ihr diese?

Die ersten Prototypen machen wir meistens bei uns, mit Experimenten rund ums Brot geht es immer los. Das Brot wird angeliefert, wir zerkleinern und trocknen es und haben so Granulat oder Semmelmehl. Danach überlegen wir, in welchen Produkten klassischerweise Mehl steckt. Die Frage ist immer: Können wir bei mehlhaltigen Produkten das Getreidemehl durch unser neues Brotmehl ersetzen? Wenn die ersten Tüfteleien bei uns in der Küche erfolgreich verlaufen, suchen wir uns ziemlich schnell Partner*innen, die das später produzieren können. Nur weil wir irgendwelche Rezepturen entwickeln, heißt das noch lange nicht, dass das auch in der Produktion funktioniert.

Heldenbrot-Gründer*innen Felix Pfeffer und Janine Trappe.
Die Heldenbrot-Gründer*innen Felix Pfeffer und Janine Trappe. © Heldenbrot

Euch wird also das alte Brot angeliefert. Kann ich euch auch als Privatperson etwas schicken?

Wir arbeiten nur mit Bäckereien zusammen, die wir auch kennen. Das sind nie spontane Lieferungen von Läden oder Privatpersonen ums Eck. Wir vereinbaren mit den Betrieben ganz genau, welche Brotsorten wir abnehmen können. Das sind dann entweder Produktionsreste, die „hässlich“ sind und es nie in die Filiale geschafft haben, zum Beispiel schiefe Brezeln, die die Brezelmaschine versemmelt hat. Oder Überproduktionen und Filialrückläufe. Meistens ist es aber das Brot vom Vortag, das zerkleinert und getrocknet wird. Es können sich gern Bäckereien bei uns melden, damit langfristige Partnerschaften entstehen.

“Wir arbeiten mit Resten, die zu hässlich für den Verkauf sind, etwa schiefe Brezeln, die die Brezelmaschine versemmelt hat.”

Janine Trappe

Benutzt ihr für ein Produkt immer das gleiche Brot?

Nein, das ist immer leicht unterschiedliches Brot. Aber die Schnittmenge der Zutaten der verschiedenen Backwaren ist so groß, dass man als Kund*in keinen Unterschied bemerkt.

Welches ist denn dein Lieblingsprodukt?

Ich schwanke, je nach Gelüsten. Ich finde die Flips richtig gut, weil die so schön luftig sind. Mittags machen wir uns oft Nudeln oder Brotlinge. Was an den Nudeln richtig cool ist, ist die kurze Garzeit von gerade mal fünf Minuten. Das ist natürlich echt praktisch. Unser großer USP insgesamt ist aber die Lebensmittelrettung. Wir werben nicht damit, dass wir super gesund sind. Alles, was wir tun, dreht sich ums Einsparen neuer Rohstoffe und stattdessen das zu nutzen, was schon da ist.

Wie kann man sich den Geschmack denn vorstellen? Schmecken Nudeln, Flips und Co. so, wie man es von herkömmlichen Produkten kennt?

Bei den Nudeln schmeckt man eigentlich keinen großen Unterschied. Sie schmecken etwas kräftiger und interessanter. Aber es ist nicht so, dass man ein komplett anderes Ess-Erlebnis hat, wie man es beispielsweise von Linsennudeln kennt. Die Kekse unterscheiden sich durch ihre Knusprigkeit und den leicht salzigen Geschmack, was beides das Brot mit sich bringt. Unsere Flips schmecken wiederum natürlich nicht nach Erdnussflips. Aber sie haben einen tollen Crunch.

Die Flips haben auch sofort meine Aufmerksamkeit erregt, und so sind sie es auch, die sich zuerst meinem Geschmackstest unterziehen müssen. Die Konsistenz ist tatsächlich deutlich luftiger als bei herkömmlichen Chips. Diese hier zerfallen fast schon im Mund, so fluffig sind sie. Zunächst ist der Geschmack sehr intensiv-würzig, behält man den Flip etwas länger im Mund, verfliegt der Geschmack allerdings schnell. Aber wer lutscht schon ewig auf einem Flip herum? Eben! Bei den Nudeln schmecke ich dann wirklich keinen Unterschied zu anderen Sorten aus Weizen. Die Mischung für die Brotlinge riecht verführerisch nach indischen Gewürzen, und schmeckt auch genauso. Etwas trocken zwar, aber mit frischem Salat oder einem Dip vorzüglich.

Euer Portfolio ist bereits sehr breit. Habt ihr noch Ideen für neue Produkte?

Wir sitzen schon an verschiedenen neuen Produkten wie etwa Müsliriegel. Aber neue Entwicklungen sind natürlich aktuell erschwert, durch höhere Rohstoffpreise zum Beispiel. Wir haben bisher eigentlich nichts probiert, was gar nicht geklappt hat. Wir hatten mal einen Keks aus Körnerbrot, der einem Hafer-Cookie sehr ähnlich war. Da haben uns aber die Inhaltsstoffe nicht gefallen. Alle angefragten Produzent*innen konnten den Keks nur mit Palmöl fertigen, und da hatten wir nicht so Bock drauf. Dann scheitert es manchmal weniger an der Machbarkeit als an solchen Dingen.

Was ist mit Bier?

Ja, Bier geht gut, genauso wie Schnaps (lacht). Wir haben mal mit einer kleinen befreundeten Brauerei experimentiert, aber eigentlich nur für uns selbst und für berufliche Partner*innen. Im Bier landet nicht so richtig viel Brot, es wird als Trester eher weggeworfen, das hat uns nicht gefallen.

Eure Nudeln standen bereits bei Aldi im Regal, ansonsten kann man sie im Online-Shop bekommen. Wo noch?

In verschiedenen Feinkostläden und Supermärkten. Die genauen Standort kann man auf unserer Homepage erfahren. Natürlich ist es unser Ziel, dauerhaft im Supermarkt zu stehen, aber soweit sind wir noch nicht. Wir müssen uns noch hocharbeiten, um ein festes Produkt in den Läden zu werden.

Welche Reaktionen bekommt ihr auf eure Ideen und Produkte?

Wir merken, dass es einen Wertewandel gibt. Als wir 2017 mit unseren Knödeln auf Messen unterwegs waren, hörten wir oft „Was, ihr macht das aus Müll und wollt dafür auch noch viel Geld?“. Solche Einwände hören wir jetzt nicht mehr. Das Thema Lebensmittelrettung kommt aus der “nachts im Container wühlen”-Ecke heraus.

“Früher sagte man zu uns: Was, ihr produziert aus Müll und wollt dafür auch noch Geld?”

Janine Trappe

Hat das mit Corona zu tun?

Ich denke schon, dass das so ist. Meine Generation hat während Corona gemerkt, dass Regale im Supermarkt auch mal leer sein können. Man merkt, dass sich etwas tut, nicht nur durch die Verfügbarkeit, sondern auch durch den gestiegenen Preis. Als Käufer*in überlege ich mir da drei Mal, ob ich mehr mitnehme, als ich brauche, oder doch bedarfsgerecht einkaufe und die Lebensmittel am Ende eben nicht wegwerfe. Ich finde es toll, dass dafür an allen Ecken und Enden Aufmerksamkeit geschaffen wird. Man bekommt dadurch wieder einen stärkeren Bezug zum Lebensmittel.


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