Veröffentlicht inKochbuch der Woche

Cucina Povera – Die Grundlage der italienischen Küche

Unser Kochbuch der Woche von Gennaro Contaldo zeigt, wie sehr die italienische Küche in ihren Pfeilern von der “Armenküche” geprägt wurde.

Ein weißer Teller mit dem apulischen Brotsalat auf einem rustikalen Holztisch.
Nur ein Beispiel für die leckere Cucina Povera: apulischer Brotsalat. © David Loftus

Denken wir an die italienische Küche, schießen uns direkt Pasta, Pizza und Weißbrot in den Kopf. Ja klar, es gibt auch Wein, Tiramisu, Prosecco usw. Doch vielen ist gar nicht klar, wie sehr die italienische Küche von “Armengerichten” inspiriert ist und wie sie das Grundgerüst ist, welches die italienische Kulinarik trägt und auch dafür sorgt, dass sie ständig erweitert wird.

Pasta beispielsweise wird aus zwei Zutaten zubereitet und spielte als schneller Kalorienlieferant eine wichtige Rolle in der bäuerlichen Küche. Brot, ebenso aus wenigen Zutaten, war und ist in Italien ein immens wichtiges Grundnahrungsmittel. Und auch altbackenes Brot wird niemals weggeschmissen. Stattdessen lassen sich wundervolle Sachen wie ein klassischer Panzella-Salat oder Panecotto (in Brühe gekochtes, altbackenes Brot) zubereiten. Auch als Füllung für Gemüse oder in Hackfleischmassen lässt sich altbackenes Brot wunderbar verarbeiten.

Und die weltweit beliebte Pizza lässt sich schließlich auch ziemlich leicht mit allem belegen, was noch im Kühlschrank zu finden ist. Cucina Povera oder auch Cucina rustica genannt, ist also mehr als ein paar Rezepte. Es ist italienisches Lebensgefühl und die Basis so vieler Gerichte, die wir heute als selbstverständlich hinnehmen.

Cucina Povera

Auch die Jahreszeiten und das damit verbundene Angebot an Zutaten sowie Kreativität, um teure Zutaten zu ersetzen, spielen in der Cucina Povera eine entscheidende Rolle.

Wenn man sich die Venusmuscheln für die Spaghetti alle vongole nicht leisten konnte, aber die restlichen Zutaten vorrätig hatte, sagte man in Neapel, dass die Vongole »entkommen« waren! Es gibt ein Rezept für Meeresfrüchte-Pasta aus Castellamare di Stabia, das Pasta con i sassi genannt wird, für das man Kiesel aus dem Meer nahm, um das Nudelwasser zu salzen – ich kann nur annehmen und hoffen, dass die Steine vor dem Servieren wieder entfernt wurden!

Gennaro Contaldo

Rezept für Acquasale (apulischer Brotsalat)

Zutaten für 4 Portionen:

  • 1 kleine rote Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten
  • Rotweinessig zum Abschmecken
  • 4 Scheiben Fresella
  • 200 g kleine Flaschentomaten, halbiert
  • 1 Stange Staudensellerie mit Grün, in feine Scheiben geschnitten
  • ½ Salatgurke, in Scheiben geschnitten
  • 1 TL getrockneter Oregano
  • Meersalz
  • 40 ml natives Olivenöl extra, plus mehr zum Beträufeln

Zubereitung:

  1. Die Zwiebelscheiben in eine kleine Schale geben und mit Rotweinessig bedecken. Mindestens 30 Minuten ziehen lassen.
  2. Die Fresella-Scheiben auf einen Teller legen, mit ungefähr 100 ml Wasser beträufeln und etwa 30 Minuten einweichen lassen. Dann in Stücke brechen.
  3. Die Zwiebel abtropfen lassen (den Essig für ein anderes Gericht aufbewahren) und mit den Tomaten, dem Sellerie und der Gurke in eine Schüssel geben. Mit Oregano und etwas Salz bestreuen, das Olivenöl dazugeben und alles sorgfältig vermischen. Die Fresella-Stücke untermengen und den Brotsalat bei Zimmertemperatur etwa 1 Stunde ruhen lassen. Mit Olivenöl beträufeln und servieren.

Anmerkungen:

Dieser Salat ähnelt der Panzanella aus der Toskana, für die altbackenes Brot verwendet
wird. Für dieses Rezept aus dem bäuerlichen Apulien nimmt man Fresella, ein zweifach
gebackenes Brot, das man in italienischen Feinkostläden bekommt und das sich sehr gut
lagern lässt. Früher wurde Fresella zu Hause hergestellt, indem man Scheiben von altbackenem Brot bei niedriger Temperatur im Ofen knusprig backte – ich mache das immer noch so, wenn ich zu viel Brot habe. Die Fresella lässt sich in einer verschlossenen Dose aufbewahren und kann gut für Brotsalate wie diesen hier oder Suppen oder auch mit
Olivenöl beträufelt einfach als Snack verwendet werden. Vorher die Fresella nur mit etwas
Wasser besprühen, damit sie weicher wird.

Ich erkläre Ihnen hier das traditionelle apulische Rezept mit Sommergemüse, das die
Bauern anbauten oder leicht bekommen konnten. Aber Sie können es natürlich auch
noch mit Paprika, Oliven, Kapern, eingelegtem Gemüse, gekochten Bohnen oder Thunfisch
aus der Dose verfeinern.


Gennaro Contaldo: “Cucina Povera”, ars vivendi, 28 Euro

Buchcover “Cucina Povera”

Jede Woche blättern wir in einem anderen Kochbuch der Woche. Eine kleine Auswahl findest du hier: